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Benehmt Euch, Ihr Weicheier!


Pfeife

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Hallo Blechrollerfreunde,

wer mich kennt, weiß, dass ich nicht nur sehr gut aussehe, sondern auch über ausgesprochen gute Umgangsformen verfüge. Leider scheint mich meine Vergötterte nicht sehr gut zu kennen, wie sonst ließe sich ihre Kritik erklären?

"Kaum erlaubt man dir, im Hof zu basteln, hat man nichts als

Schwierigkeiten..."

"Also! Ich muss doch sehr bitten!"

"Ach! - Und was ist mir den Schmitts nebenan? Die trauen sich nicht mehr,

im Garten zu grillen, weil sie meinen, bei uns hinge immer so ein blauer Dunst über dem Garten..."

"Da übertreibst du aber gewaltig, Liebste!"

"Ach!! - Und die Seiferts gegenüber? Denen ist der Kanarienvogel

eingegangen, als der Wind ungünstig stand."

"Unsinn! Das war im Übrigen ein Papagei... und vielleicht erstarb er ja einfach eines natürlichen Todes"

Ich erspare Euch den Rest dieser Diskussion, die eigentlich nur entstanden ist, weil ich die erste grobe Vergasereinstellung vor der Garage vorgenommen habe (jeder kennt dergleichen zur Genüge) und komme zum eigentlichen Thema: die Umgangsformen des Blechrollerfahrers. Letztens stand bei uns in der Tageszeitung ein lesenswerter Artikel über die Umgangsformen von Busfahrern: höflich, hilfsbereit und vor allem geschickt und liebevoll im Umgang mit ihren Bussen. Der Autor äußerte sich sogar sehr lobend über die fahrerischen Qualitäten von Busfahrern: "... sieht man, mit welchem Geschick auch die verzwicktesten Situationen gemeistert und mit wie viel Gefühl die Busse durch die gefährlichsten Momente manövriert werden, kann man nur den Hut ziehen..."

Nun gut, die Umgangsformen des Blechrollerfahrers zeigen sich in der Art

und Weise, in der er mit seinen Rollern umgeht. Ich behaupte, dass sich

meine Roller in keiner Weise beschweren können. Könnte es ein Kind

besser haben als eine meiner Vespas? "Nein" - sagt meine Tochter und

schüttelt bestätigend ihren Kopf. Lasse ich nicht alles stehen und

liegen, wenn meine Roller Aufmerksamkeit verlangen? "Genau!" - sagt

meine Frau über die Schulter und schleppt die Kästen mit Mineralwasser

in den Keller.

Die Umgangsformen des Blechrollerfahrers sind also über jeden Zweifel

erhaben. Und doch! Immer wieder stehen kritische Ungeister auf und

erheben ihre Stimme zu einer kreischenden Dissonanz der Kritik am guten

Benehmen.

"Musst du deine gebrauchten Rollerteile unbedingt auf die weiße Tischdecke legen und dort daran herumpolieren?" oder (ganz besonders perfide) "Würde es dir sehr viel ausmachen, den Roller vorm Antreten nicht immer mit dem Auspuff in die Richtung der Rosenstöcke zu stellen!" oder - das ist die absolute Frechheit: "Wenn ich dich so mit dem Kolben und dem Zylinder hantieren sehe, wünsche ich mir manchmal, ich wäre eine Vespa!"

Nun denn, was kümmert es das Schwein...

Allerdings macht es mir Angst, wenn ich daran denke, dass sich, über die Saison (die für echte Blechrollerfahrer ja bekanntlich von Januar bis Dezember erstreckt ? immer mit dem Kommentar es gäbe kein schlechtes Wetter, nur unpassende Kleidung verteidigt) verteilt,

eine größere Zahl von Blechrollerfahrern zwecks eines gemeinsamen Treffens in diversen Städten versammeln werden. Wenn meine BH erfährt, wie sich manch Blechpiloten zu solchen Gelegenheiten verhalten, darf ich vielleicht nicht mehr auf Treffen fahren, von Runs mal ganz abgesehen. Mir wird Angst und Bange. Welchen Repressalien und Verdächtigungen wird man ausgesetzt sein? "Leute, nehmt die Wäsche ab, schließt die Gartentür zu, bringt Eure Frauen in Sicherheit! Knappe, man reiche mir mein Schwert! Blechrollerfahrer sind in der Stadt...", "Dirk! Wo willst Du denn schon wieder hin? Doch nicht etwa auf irgend so ein Treffen? Schämst Du Dich nicht? Wenn das unsere Nachbarn erfahren! Geh lieber in den Garten und schneid? die Hecke!.." - Deshalb möchte ich versuchen, aus dem Schatz meiner Erfahrungen einige Perlen vor die... ähm... also ein paar Tipps, wie man sich als Blechrollerfahrer problemlos durch die Welt bewegen kann, ohne dass mich unsere Nachbarn auf den Scheiterhaufen... oder meine Frau mich... (ich will lieber gar nicht erst daran denken was sie mit mir anstellt).

1. Haltung bewahren

Schon durch die äußere Haltung zeigt sich der innere Wert. Manche Rollerfahrer machen sich klein, schleichen gebückt umher, fast also wollten sie um Entschuldigung bitten, dass sie besser sind als andere, hoffen gleichsam übersehen zu werden, nur um böser oder windschnittiger zu sein.

Nichts ist falscher als das (wenigstens innerhalb geschlossener Ortschaften! Zeige bereits in deiner Haltung die innere Überlegenheit, zeige, dass du stolz bist, ein Blechrollerfahrer zu sein.

Brust raus, Bauch rein, Rücken gerade! Ein (vorzugsweise englischer) Resonanzauspuff ausreichender Lautstärke schafft die notwendige Distanz.

2. Noblesse oblidge

Frühere Generationen verwendeten eine Unmenge von Zeit darauf zu lernen, wie man um die Hand der Angebeten an oder überhaupt die Gabel hält. Unbewusst wurden die Manieren des Adels kopiert. Was den Römern ihr Caesar war, sollte der Blechrollerfahrer dem Rest der Welt sein. Oft sind es nur Kleinigkeiten, aber sie fallen auf.

Wie schiebt man seine Roller (meist fängt man ja am entferntesten Punkt der Ausfahrt damit an)? Es spielt keine Rolle, ob mit Rechts oder Links. Aber viele fassen den Roller beidhändig, umschließen sie quasi, mit beiden Fäusten, zeigen ihr grimmiges, missmutiges Gesicht und signalisieren brutales Durchsetzungsvermögen. Andere greifen den Roller vorsichtig zwischen Daumen uns Zeigefinger, als hätte man Angst sich zu beschmutzen (dabei ist man in diesem Stadium meist schon am ganzen Körper von erfolglosen Reparaturversuchen von Öl und Schmutz gezeichnet) oder die wertvolle Vespa zu beschädigen (dabei ist sie in diesem Stadium meistens schon kaputt). Beides ruft Ablehnung und Antipathie hervor. Zeigen wir Eleganz! Man fasst einen der Griffe des Lenkers zwischen Daumen, Zeigefinger, Ring- und Mittelfinger, derweil der kleine Finger zierlich und vornehm abgespreizt wird. Derart aristokratisches Benehmen wird überall sofort erkannt und honoriert.

Die Tischordnung ist eine immer wieder auftretende Frage und Gegenstand

häufiger Unsicherheit. Dabei ist alles ganz einfach: Auf die rechte

Seite des Aschenbechers kommen Vergaser und Luftfilter (Vergaser außen),

Düsen, Membranansaugstutzen und Dichtungen gehören auf die linke Seite. Je Vergaser sollte man jedoch nicht mehr als drei Membranansaugstutzen bereitlegen (jeder mehr wird als Protzerei angesehen). So wie bei der Besteckordnung geht man auch hier von außen nach innen und von links nach rechts vor. Zuerst der Vergaser (penibelst reinigen), dann der

Luftfilter (mit etwas dafür vorgesehener Flüssigkeit auswaschen). Membranstutzen werden - nach ausgiebiger Politur und maximaler Erweiterung - nach innen, auf keinen Fall im Aschenbecher ablegen.

Sollte man über einen Mikuni-Vergaser verfügen, kann er auch in der Hand behalten werden, damit man durch entsprechende Gestiken leichter die Aufmerksamkeit darauf lenkt.

3. Höflichkeit ist keine Kriecherei

Natürlich erkundigt sich der Blechrollerfahrer, ob er schrauben darf. Es ist selbstredend nur eine Formfrage, schließlich sollte sich jedermann und -frau glücklich schätzen, ob einer solchen Verbesserung des Wohnstils. Man sollte sich dabei immer wieder vor Augen halten: der andere wartet quasi nur darauf, seine Zustimmung geben zu dürfen. Trotzdem ist auch hier Vorsicht geboten. Es gibt Zeitgenossen, die auf eine unschuldige Frage "stört es sie, wenn ich mal eben den Vergaser hier reinige?" mit einem plebejischen "Ja, allerdings!" antworten. In diesem Fall kann man sie nur bitten, so lange rauszugehen, wie sie nicht Blechroller fahren.

Als besonders wirkungsvoll haben sie zwei Verhaltensweisen herausgestellt: schrittweise Konditionierung (sK) und positives Fragen (pF).

Die sK arbeitet mit einer langsamen Annäherung an das Reizthema und

einer positiven Verstärkung erwünschter Verhaltensweisen. Man stelle

zunächst die Vespa vor die Haustüre und lege die pflegebedürftigen Ersatzteile auf den Tisch, dann locke man den Gesprächspartner mit einer Belohnung in die Nähe. Dies kann ein leichtes Streicheln (Vorsicht mit der Verstärkung der Belohnung), eine Praline oder ähnliches sein. Bei positiver Reaktion darauf wird bei Belohnung verstärkt. Man zerlegt den Vergaser und belohnt die positive Reaktion mit einer etwas stärkeren Dosierung. Man halte den Vergaser eine Zeitlang in der Hand und bemühe sich um eine verstärkende Belohnung. Meist kommt bereits nach einigen Minuten die Aufforderung "nun mach den Vergaser schon endlich fertig!"

Sollte dies ausbleiben, kann man geschickt zu der zweiten Technik (pF) überleiten. Diese basiert auf der Erkenntnis, dass soziale Wesen nichts lieber tun, als Zustimmung zu signalisieren. Frage ich meine Frau beispielsweise "Stört es dich, wenn ich an den Roller bastle?", antwortet sie mit 87%-iger Wahrscheinlichkeit mit "Ja!". Sie hat zugestimmt. Sie hat nicht überlegt, sondern sie wollte nur "Ja!" sagen. Würde ich allerdings fragen: "Darf ich an den Rollern basteln?" oder "Darf man hier mal eben den Vergaser saubermachen?", ist das Ja

von den Lippen, bevor die Frage das Gehirn erreicht hat, und - da der soziale Trieb befriedigt ist - wird sie es auch nicht erreichen. Man sollte Fragen an Nichtblechrollerfahrer übrigens einfach formulieren - so einfach, dass man mit Ja antworten kann. Schwieriger aber umso erfolgreicher wird es mit Alternativfragen: wichtig ist, die Frage muss beantwortet werden und - da der Nichtblechrollerfahrer gerade noch den letzten Teil noch in Erinnerung hat - wird er den diesen Part wählen. Also nicht: darf ich die Vespa reparieren gehen oder möchtest Du, dass ich nicht schraube? Hier bleibt "nicht schraube" hängen und man hat bestenfalls einen Stehplatz in der hoffnungslos überfüllten Garage. Würde man formulieren: "Bestehst Du darauf, dass ich jetzt nicht schraube, oder würde dich eine kleine Vergaserreinigung nicht stören?" stiege die Wahrscheinlichkeit einer positiven Antwort um bis zu 60%.

Die absolute Megatechnik, die außer mir nur wenige beherrschen, ist eine Frage zu stellen, die nur positive Antworten zulässt. Ein Beispiel: "Soll ich diesen alten Dell?Orto SI24 saubermachen, oder lieber den neuen Motor in die blaue Smallframe einbauen?" Egal, wie der Gesprächspartner antwortet, ich habe auf jeden Fall gewonnen.

Und lassen wir nie den Gegenüber unsere geistige, moralische und

sonstige Überlegenheit spüren!

Sollten wir uns alle derart zivilisiert verhalten, sehe ich keine Schwierigkeiten, dieses Jahr wieder das eine oder andere Treffen besuchen zu dürfen. Es wäre toll, wenn Ihr mich bei der Verfolgung meiner edlen Ziele unterstützen würdet. Danke.

Ich hoffe, dass sich die Teilnehmer der diesjährigen Rollertreffen gewappnet fühlen, den Widrigkeiten der Welt entgegenzutreten. Leider muss ich nun schließen. Meine Bessere Hälfte fragte gerade, ob ich spülen oder abtrocknen möchte...

:-D(

Bis demnächst mal wieder

Gruß Dirk :-D

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Ganz ehrlich: das erinnert mich an eine meine ersten Begegnungen mit dem GSF!

Eine der ersten Beiträge, die ich hier gelesen habe, war von Pfeife, und da hab ich mir gedacht: 'bei solchen Ergüssen, können die Leute hier nicht verkehrt sein!'

Mal wieder ein preisverdächtiger Beitrag!

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Liebe Freunde des schaltbaren Blechrollers,

obwohl es mir, wie Ihr alle wißt, schwer fällt, meine Fehler einzugestehen (schließlich mache ich ja eigentlich keine und habe deswegen auch nur wenige Möglichkeiten mich in dieser Disziplin zu üben), muß ich mich bei Euch entschuldigen. Es ist mir durchaus bewußt, dass ich schon lange keine Beiträge mehr verfasst habe, doch leider war es mir dank etwas stärkerem beruflichen Einsatz nicht möglich, hier zu sein und zu schreiben. Aber die Resonanz eurerseits war ja durchweg positiv und so gelobe ich Besserung. So fällt es mir nicht schwer, mich daran zu erinnern, warum ich mal mit der Schreiberei angefangen habe.

Danke für Euer Lob und Euer Verständnis. :-D

So, jetzt möchte ich mich noch ein paar Worte an jeden Einzelnen richten:

@Benjamin - ich fühle mich geehrt.. ein Link hierher in Deiner Signatur... wow. ;-)

@pötpöt - ich bitte um detailierte Kommentare auf einem der nächsten Clubabende ;-)

@Messerschmitt-Martin - Dank auch Dir. Bist Du eigentlich noch immer in den Staaten?

@HdK - Ollliiiiiiieeeeeeeeeeee! :-D:rotwerd:

@Arschbrand - Wow. Literaturpreis... dafür hat mich glaube ich noch niemand vorgeschlagen :-D

@JoB - Jan! Bitte beschwer' Du Dich nicht über die lange Lesepause! DU NICHT! Du hattest es ja schließlich in der Hand... Du erinnerst Dich an meine Bitte? :rotwerd:;-) Weißt Du was, ich hol mir das Material ab. Am 31.03.? ;-)

@blueaxel - Danke. Welche Geschichte war das?

@bluenote - :-D Dank auch Dir.

@Onkel Doc - :love: ;-) :wasntme: :rotwerd:

Gruß Dirk.

Bearbeitet von Pfeife
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:-D;-);-):-D;-);-):-D:rotwerd::rotwerd::rotwerd:;-):cool::cool::cool:

Meine Kollege und ich haben eben mit begeisterung gelesen!!!!!

Er ist zwar kein Blechrollerfahrer aber ist auch dem Zweiradfahren verfallen, und kennt die Kriegsschauplätze einer Ehe bezüglich der Zweiräder und den anfallenden "Nebensächlichkeiten" des Fahrens.

Für mich stellt dies "noch nicht" ein Problem bzw. nicht mehr dar, kann mich aber gut daran erinnern wie es mit der Verflossenen war. Meine Erfahrung spiegelt genau das wieder was Du nieder geschrieben hast.

Also mach bitte weiter. Es ist ein Balsam für die Seele eines Mannes!!!!! :-D

Gruß

Sebastian

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@JoB - Jan! Bitte beschwer' Du Dich nicht über die lange Lesepause! DU NICHT! Du hattest es ja schließlich in der Hand... Du erinnerst Dich an meine Bitte?  ;-)   ;-)   Weißt Du was, ich hol mir das Material ab. Am 31.03.?  :-D

<{POST_SNAPBACK}>

:-D:-D;-)

Ja, ich bin schuld daß das GSF vor Literaturmangel darbt und in Verzweiflung Topics wie "Die Person über mir" eröffnet werden. Bist Du etwa in MUC am 31.? Bitte melden! ;-)

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wie geil... ich mußte mir herb auf die zunge beissen um nicht in lautes lachen auszubrechen, das hätte zweifelsohne meine kollegen verwundert ("wieso lacht der beim arbeiten, hat DER etwa SPASS bei der arbeit???") :-D

herrlich, vielen dank für die story!!!

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