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Protokoll eines aufopfernden Hobbyreporters...


Pfeife

Empfohlene Beiträge

...jeder, der mich kennt weiß, was für ein willensstarker und charakterlich gefestigter Mensch ich bin. Körperlich zwar eher klein und zierlich gebaut, besitze ich jedoch im Übermaß die Tugenden, aus denen Helden gemacht werden. Aus diesem Grund scheue ich mich nicht, auch anstrengende oder gar unangenehme Situationen zu suchen und zu meistern. Manche behaupten sogar, ich strahle ein nahezu beängstigendes Durchsetzungsvermögen aus. ? Leider hat meine BH davon noch nichts gehört.

"Kannst Du mal kommen! Der Rasen muss dringend geschnitten werden!" ? "Natürlich, Schatz. Ich schraub? hier nur noch schnell den Motor in die Fuffi...." - "Die Fuffi kannst Du auch nach dem Rasenmähen fertig machen. Und wenn Du schon dabei bist, die Hecke muss gestutzt und das Gartenhaus könnte auch noch mal gestrichen werden..."

Ich versuche geduldig zu erklären, dass sich der wirkliche Superheld nicht mit solchen körperlichen Anstrengungen verträgt...

Zu meinem Glück ist die Prügelstrafe abgeschafft - allerdings, nach einem Blick auf meine Freundin bin ich mir da nicht mehr ganz so sicher.

Sanftmütig und geduldig begebe ich mich in den Garten.

"Hast Du gestern Getränke gesorgt, wie ich Dir das gesagt habe?" - "Nein, ich konnte nicht! Du hast mir kein Geld mitgegeben..." Schon in meiner Jugend war ich ein ausgesprochen guter Sprinter und in den Jahren meine Ehe konnte ich meine Geschwindigkeit auf kurzen und mittleren Distanzen erheblich steigern.

Ein Mann zeichnet sich dadurch aus, dass er eisern an einem einmal gefassten Entschluss festhält und sich durch nichts beirren lässt. Ich bin ein Mann. Ich fasse Entschlüsse und setze sie durch. So hatte ich letzte Woche beschlossen mir eine neue Vespa zuzulegen. Wie es meiner Gewohnheit entspricht, bespreche ich diese Investition zuvor mit meiner Frau: "Morgen will ich mir eine neue Pfeife ka..." "Nein!" - Das liebe ich an ihr: klare Aussagen, keine Missverständnisse und immer zu einem Scherz aufgelegt. Mancher könnte meinen, sie sei hartherzig, aber das ist wohl so nicht richtig.

Aber davon wollte ich jetzt überhaupt nicht berichten. Es geht um einen ?selbst für jemanden wie mich - waghalsigen Versuch. Viele Rollerfahrer vermuteten es schon lange, ich wollte beweisen, dass Petrus Autofahrer ist. Was wohl läge Näher, als den Kerl einfach aufzusuchen und ihn mal zu interviewen. Wie schon bereits geschrieben, wer mich kennt weiß, dass ich vor nichts zurückschrecke.

Am frühen Abend habe ich alle meine Angelegenheiten geregelt. Ich kläre den Hund und meine Freunde auf, was im Falle meines Verschwindens zu tun sei...und dass ich einen wichtigen Termin in meinem Arbeitszimmer hätte und das man dieses doch bitte meiden möge. So ich heil herauskäme würde ich darüber berichten. Meine Frau meinte, dass ich aufpassen solle, sie findet auch kleine Papierschnipsel und wenn ich fertig sei, sollte ich gefälligst für sie einen Kaffee kochen und ihr beim Bügeln helfen. - Zärtlich sehe ich sie an. So müssen die Frauen der alten Wikinger gewesen sein: heldenhaft verleugnen sie ihre Angst um den Liebsten; die Tränen können nur durch harte Worte unterdrückt werden. Ich drücke sie an mich und gebe ihr eine zärtlichen Kuß. "Du stinkst schon wieder nach Sprit!"... Nur zu gut kann ich sie verstehen; Angst hat sie um mich, möchte mich aber dennoch nicht beunruhigen. Womit habe ich dieses Glück verdient?

Ich ziehe mich nach einem kräftigenden Imbiss in mein Arbeitszimmer zurück. Dort steht alles bereit, was ich brauche: Der Computer, eine Schachtel Zigaretten, ein frisch gefülltes Feuerzeug, Streichhölzer (für

den Fall, dass das Feuerzeug ausfällt), ein Ersatzfeuerzeug (für den Fall,

dass die Streichhölzer nass werden), ein Eimer mit Wasser, ein Kasten Bier, eine Schachtel Kekse (als Proviant) zweiunddreißig jungfräuliche CD-Rohlinge (könnte ja ein längeres Interview werden und da ich zwar unerschrocken, aber dennoch nicht blöd bin, sichere ich meinen Mitschrieb lieber gleich ? schließlich läuft hier auf dem Computer ja Windows)

Vorsichtig schalte ich die Kiste ein und verbinde mich mit dem I-Net. Die E-Mail-Adresse habe ich als geübter User natürlich schnell herausgefunden, ich riskiere es und schreibe eine kleine Interview-Anfrage. Prompt bekomme ich auch eine Antwort.

Petrus scheint gewillt. Ich entzünde schnell noch eine Zigarette...es könnte ja meine letzte sein...es gibt kein zurück mehr. Ich sehe mich noch einmal in dem liebgewordenen Raum um: dort stehen die Bücher, die ich gelesen habe, hier der Schreibtisch, den ich einst von meinem Vater erbte, dort der Blutfleck, als ich damals auf der Flucht vor meiner Frau die Nase an der Schreibtischkante... ? Ich wittere zwar die Gefahr wie ein gut trainiertes Rotwild, aber dennoch mache ich mich auf den Weg in die Garage, wo ich mich mit ihm treffen will. Aufgrund der Kälte schließe ich das Tor hinter mir als mich auch schon grelles Xenonlicht durch die Geschlossenen Flügel des Holztores blendet. Ich habe es ja gesagt. Petrus fährt Auto. Doch ich habe mich, trotz meiner Kombinationsgabe leicht geirrt, um das Ergebnis dieser Erfahrung vorweg zu nehmen. Das Gefährt, das da zu meinem Garagentor hereingefahren kommt ist kein Auto...Das Ding hat nur zwei Räder. Ungern gebe ich mich geschlagen, aber es ist war. Nur zwei Räder. Ein älterer, unmöglich gekleideter (er trägt eine Art weiße Toga und eine Pudelmütze) Herr steigt von seinem Fahrzeug ab und schüttelt mir die Hand. Die große Überraschung für mich: Seine Hand ist warm, ja deutet fast schon auf Fieber hin. Erst jetzt sehe ich mir sein Fahrzeug genauer an.

Petrus fährt BMW C1!!! Mit Scheibenwischer, Heizgriffen und Heißluftgebläse. Es scheint ihm wohl Spaß zu machen auf arme durchfrorene und pudelnasse Vespafahrer herabzublicken. Ich merke wie mir leicht schwindelig wird und ich rette mich mit einem beherzten Sprung aus dem Garagenfenster.

Leider konnte ich das Interview nicht weiterführen, ich hoffe ihr verzeiht mir.

Gruß Dirk

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oh... schade das das interview nicht weitergeführt werden konnte - aber die umstände waren ja alles andere als optimal/leicht zu bezeichnen... respekt an den sich aufopfernden reporter!

...hat wieder sehr viel spaß beim lesen gemacht - ich bin begeistert wie du solche geschichten "hervorzauberst"! :-D

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